Das Wetter ist seit Wochen das Beste in Nordostdeutschland und ich wäre ziemlich blöd, wenn ich das nicht mal ausnutzen würde, um mein neues Diamantfahrrad 247 auszuführen. Das letzte Mal, dass ich knapp 200km zurück gelegt habe war letztes Jahr (2017) in Dänemark. Doch in Deutschland kann man genauso gut touren. Des öfteren bin ich von Berlin in meine Heimatstadt Seehausen in der Altmark gefahren.
Wenn man aus Berlin heraus will, fährt man gezwungenermaßen durch Brandenburg. Das Schöne dabei ist, dass Brandenburg wohl die Schönste Natur zu bieten hat, die man sich als Radfahrer vorstellen kann. Ich verfolge seit längerer Zeit die Instagram-Stories von @wecyclebrandeburg (Website). Landschaftliches Idyll soweit das Auge reicht. Hier schlägt das Fahrradfahrerherz höher und man freut sich regelrecht, wenn man auf schönen, asphaltierten Wegen durch Wälder & Wiesen fährt.
Ich fahre später als geplant los und komme in den frühen Berufsverkehr der Großstadt. Dieser ist an sich nervig, aber auch ein satter Kontrast zu dem, was mich später auf der Tour erwarten wird. Viele Autos, Menschen & Ampelphasen lasse ich nach einiger Zeit hinter mir und passiere nach knapp einer Stunde Spandau. Von hier an wird es merklich ruhiger und die Fahrradwege sind bestens zu meiner Freude ausgebaut.
Gleichermaßen nimmt der Wind an Stärke zu. Ist man in der Stadt durch die Gebäude relativ geschützt, ist man hier auf den Ackerflächen schutzlos den Kräften der Natur ausgeliefert. Ich wusste von vornherein, dass mich der Wind mit kräftigen Böen auf der Tour begleiten wird. Schon nach dem ersten Kontakt fange ich an zu fluchen. Vorhergesagt waren 20 km/h mit 50 km/h Spitzengeschwindigkeiten. Für mich fühlte es sich eher so an, als ob Letzteres durchgehend gegen mich und mein Rad bließ.
Ich versuche mental damit abzuschließen und nehme mich der Situation widerstandslos an. Das Navi sagt mir eine Fahrzeit von 9 Stunden voraus. Ich liege halbwegs gut in der Zeit, so dass ich gegen 16-17 Uhr in Colbitz sein würde.
Nach 50km fängt bei mir der Heißhunger an. Gut, dass es da die alten, traditionellen Bäckereien gibt. Ich mache auf der gesamten Strecke einige Male halt. Mein Körper ruft förmlich nach schneller Energiezufuhr und braucht Zucker.*
Ich erreiche Brandenburg a.d. Havel. Das bemerke ich erst als ich das Stadtzentrum erreiche, denn vorher sehe ich kein Ortseingangsschild. Ich habe also ungefähr die Hälfte der Strecke zurück gelegt und bin trotz des starken Windes super zufrieden.
*Ich weiß, dass Zucker kein gutes Mittel gegen Schlappheit ist, da der Insulinspiegel wieder rapide sinkt und noch mehr Zucker gebraucht wird. Aber gegen einen Pfann- oder/und Käsekuchen ist nichts einzuwenden.
So schön Brandenburg a.d. Havel auch sein mag. Für mich ist es pures Gepolter mit dem Fahrrad, weil viele Straßen komplett gepflastert sind und extrem holprig. Dennoch hat man hier eine Stadt die von Seen umgeben ist und die Havel fließt dort hindurch.
Im Gegensatz dazu, zeigt sich Genthin fahrtechnisch von seiner schönsten Seite (zumindest dort, wo ich entlang fahre). Die Wege sind super breit ausgelegt und nur für Fahrradfahrer angefertigt. Hier hat man wirklich das Gefühl, dass Radfahren gewollt ist und das wird auch gefördert. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich durch Genthin gefahren bin. Daumen nach oben für soviel Engagement!
Ich komme Colbitz immer näher und doch verwundert es mich, dass das Navigationssystem die Strecke länger macht. Waren es am Startpunkt noch 169km, sind es jetzt 181km Fahrstrecke. Nicht, dass es mich irgendwie groß stören würde, aber nach 150 gefahreren Kilometern wollte ich schon mal ankommen.
Ich fahre jetzt auf dem Deich und sehe die Elbe neben mir herlaufen. Das Wetter ist immer noch bestens und ich schaufel mir die letzte Chili con Carne Dose hinein, nachdem ich ein abgesperrten Deichabschnitt über einen Acker passieren musste. Die Schafe auf dem Deich grasten dort, wo ich ursprünglich langfahren wollte (zusätzlich war es noch abgezäunt). Mit leichtem Ärger darüber, dass vorher nicht darauf hingewiesen wurde, schiebe ich das Fahrrad den Deich runter und gehe durch butterweichen Ackerboden. Zum Glück sind es nur 100m.
Es sind nur noch 30km bis nach Colbitz. Und die fahre ich gestärkt ohne größere Anstrengung bis zum Sonnenuntergang hinein. Ich bin jetzt Brutto knapp 11 Stunden unterwegs und erschrecke, als vor mir eine Fähre auftaucht. Ich habe nicht damit gerechnet und sehe es als wohltuende Abkürzung. Von hier an geht es das letzte Mal mäßig einen Berg hinauf und dann geht es entspannt nach Colbitz.
Das ich aus dem Nichts heraus und gegen den Wind 181km fahre und das ohne große Anstrengungen, habe ich frühs nicht glauben können. Ich habe zwar am nächsten Tag leichten Muskelkater in den Waden, aber das ist durchaus normal.
post scriptum
Natürlich ging es dann Sonntag wieder mit dem Fahrrad zurück. Dieses mal mit Rückenwind, so dass ich auf dem Deich locker im 8. Gang fahren konnte. Fuhr ich auf der Hintour noch mit 4,5,6 Gängen erweiterte sich das Repertoire am Sonntag auf 5,6,7,8, was sich eindeutig auf meine Fahrzeit niederschlug. Ich fuhr die 173km in 7:52h und war damit knapp 2 Stunden schneller unterwegs als noch am Freitag. Wind ist eindeutig der Feind des Radfahrers, kann aber auch der Freund sein.
Kurz vor Berlin machte ich noch eine Pause und aß auf einer Baustelle die von Sarahs Mutti gekochten Nudeln mit Tomatensauce, bis mir ein Labrador zugelaufen kam. Ich guckte nach dem Eigentümer, aber es war weit und breit niemand zu sehen. Der Hund war super zutraulich, was auch sicherlich am Essen lag, was neben mir stand. Nach ein paar Minuten kam eine Frau an und meinte zu mir, dass die Hündin schon alt sei und nicht mehr richtig hören könne. Immerhin funktionierte ihr Schnüffelorgan noch richtig und ich machte mit der Hündin vorher ein paar Selfies :D
In Berlin angekommen, kam ich beim Checkpoint Charlie vorbei und sah den Transporter von Shisha2Go von Shishaberlin. Ich arbeite ab und an für Shishaberlin und mache in den Bars Fotos. Ich schoss fix noch ein Foto mit meinem Gefährt, bis ich dann final nach Hause fuhr. Der Tag war durch den Rückenwind wirklich der Beste. Ich kam so dermaßen gut voran, dass ich mit 22-23 km/h durchschnitt noch länger hätte fahren können.
Fazit
Wer also mal von Berlin nach Colbitz bzw. Magdeburg fahren will, dem empfehle ich das wirklich sehr, denn die Wege sind zu 90% für das Radfahren ausgelegt. 5% davon sind Bundesstraße und die anderen 5% Pflasterwege oder Schotter. Dazu ist die Landschaft einfach umwerfend und für jeden Radfahrer geeignet.
Hinweis zum Dateidownload: Auf meiner Tour wurden Arbeiten am Deich durchgeführt. Hier nehmt dann einfach den Deich, wenn der Abschnitt fertiggestellt ist. Ansonsten könnt ihr dennoch nach der Route fahren. Eine Teilstrecke befindet sich auf dem Elberadweg, der sowieso gut ausgeschildert ist. Die Navi-Datei ist nur ein grobe Richtungsweisung, an die ihr euch nicht zwingend halten braucht. Sie macht das fahren aber entspannter, da ich durch die Navigation keine schlechten Wege dabei hatte.
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