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Etappe 3: Estellencs - Esporles

Meine Augen öffnen sich langsam. Sie sind leicht zugequollen und die Zeiger auf der Uhr zeigen mir verschwommen, dass es noch zu früh ist, um aufzustehen. Gegen 06:45 Uhr ist es noch düster & durchgehend windig. Ich schließe nochmal meine Augen, bevor ich mich gegen viertel nach Acht aus dem Schlafsack pelle. Ich begutachte als erstes meine Blasen an den Füßen. Es sieht nicht ganz so schlimm aus, wie ich erst befürchtete habe, werde sie aber bei jedem Schritt merken. Die Luft aus der Isomatte rauslassend, wird mir allmählich warm dabei, in dem ich sie, so gut es geht, zusammenrolle. So sehr man am Morgen auch frieren mag, so schnell wird einem auch wieder warm, wenn man sein Equipment wieder in den Rucksack verstaut. Der Tag startet recht vielversprechend mit einem wundervollen Sonnenaufgang. Diesen sehe ich zwar nicht direkt; dafür aber die Auswirkungen danach auf die Farben des Himmels. Ich erfreue mich immer wieder an solch Angenblicken wie Diesen. Hier in Berlin sind solche Farben eine echte Rarität.

Katzenhygiene mit Mini-Deo, Zahnbürstenkopf der elektronischen Zahnbürste und ab geht es in Richtung Estellencs. Hier hoffe ich darauf, endlich was zu essen zu bekommen. Meinen Vorrat habe ich in der Nacht zuvor aufgebraucht. Das Gute an etwas älterem Brot ist, dass man länger darauf zu kauen hat und dem Körper vorspielt man esse 2 Döner, auch wenn es nur nur ein Drittel Vollkornbaguette ist. Es geht in Schlängellinien bergab. Mir kommt ein Geländewagen entgegen mit mutmaßlichen Rangern. Ich schmunzle leicht, weil es das letzte Mal die gleiche Situation gab, nachdem Sarah und Ich aufgebrochen waren. Es ist nunmal offiziell verboten irgendwo zu zelten. Was ich die Nacht tat, konnte man aber nicht wirklich als zelten bezeichnen. Biwakieren halt. Links von mir ist eine Wasserquelle mit Zapfhahn, aber keinerlei Beschriftung, ob man das Wasser direkt trinken kann oder nicht. Generell wird auf dem Weg mit einem expliziten Schild hingewiesen, dass etwas nicht trinkbar ist, was mich aber nicht sonderlich motiviert das unbeschilderte Wasser zu trinken. Ich gehe also weiter und komme an der MA-10 an. Hier gibt es wieder Wegemarkierungen, die mir drei Richtungen anzeigen. Es soll nach Estellencs gehen, aber es gibt das Problem, da das Schild nach links zeigt. Die Wanderkarte zeigt aber nach Richtung Osten, die auch die Richtung nach Estellencs entspricht. Ich nehme wieder den Weg rechts entlang, da ich aus Erfahrung weiß, dass Er sehr viel kürzer ist und von Anfang an bergab geht. Ich habe keine Motivation nach dem gestrigen Tag, groß Umwege zu laufen. Auf der MA-10, einer Hauptstraße Mallorcas, gibt es wie immer so gut wie keinen Verkehr. Man wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass man auf der linken Seite laufen soll, also gegen die Verkehrsrichtung. Das erinnert mich immer an eine Passage von Hape Kerkelings Buch: Ich bin dann mal weg. Hier tut er das auf dem Jacobsweg auch, wird aber von den Spaniern darauf hingewiesen, dass er mit dem Verkehr laufen soll. Naja, wie man's macht. Links laufen ist definitiv sicherer, als sich den Ar*** abfahren zu lassen. Gegen frühen Vormittag komme ich in Estellencs an und meine Hoffnung ist groß auf das Café oder den kleinen Tante-Emma-Laden, den wir (Sarah & Ich) letztes Mal besucht haben, um uns einen Kaffee zu gönnen. Dazu noch ein frisches Weißbrotbaguette und Aioli. Meine Enttäuschung darüber, dass alle Geschäfte auch hier & jetzt zu haben, ist um so größer. 

Wenn man in Estellencs ankommt, trifft man wieder auf Wegweiser und eine Wanderkarte in Form einer Infotafel. Ich entschließe mich hier auch mal abseits des offiziellen Weges zu gehen und wandere hinunter zum Hafen, nach Cala d'Estellencs. Die Zeit, die man zum Hafen benötigt, liegt bei 20-30 Minuten. Das Gute daran ist, dass es ein Rundweg ist und man den selben Abschnitt nicht zwangsläufig zurück gehen braucht. Die letzten Meter an der Küste werden merklich stürmischer, so dass ich mir mein Cap abnehme und es am Rucksack per Karabiner befestige. Gleichzeitig ziehe ich die Fleecejacke an, denn gefühlt sind es, mit den stürmischen Böen, 0°C. Die aufgebrachten Wellen peitschen gegen die Brandung, dabei sind sie teilweise so hoch & voller Energie, dass die ersten Felsen sie nicht aufhalten können und erst an der nächsten Brandung zerschellen. Hier unten gibt es eine Art Aussichtsplattform auf das Meer, die selber schon ordentlich mit Wasser bedeckt ist, obwohl das Meer noch 10-15 Meter weiter unter einem ist. Ich genieße die Zeit hier unten so ganz alleine. Kletter auch einmal über eine Absperrung, hinauf auf einem Felsvorsprung, um zu sehen wie noch größere Wellen ungebremst gegen riesige, aus dem Meer herausragende Felsen einschlagen. Ein Schauspiel, was ich so auf Mallorca noch nicht gesehen habe. Sowas wird auch nur in den Wintermonaten gut zu sehen sein, wenn die Tramuntrana die Insel mit voller Härte regiert. Gerade dieses Jahr soll es wohl besonders windig sein, so dass immer wieder Sturmwarnungen herausgegeben werden. Ich selbst checke auch immer wieder den Wetterbericht. Jeden Tag ist ein Sturmfähnchensymbol zu sehen. Aber anders als in Deutschland ist es nicht durchweg stürmisch, sondern extrem böig. Der Wind kann durchweg 30-50 km/h betragen. Ist eine Stelle aber besonders anfällig für den Wind, kann dieser sich auf über 100 km/h oder mehr erhöhen. Anfangs bin ich noch verwundert über die große Diskrepanz der Windgeschwindigkeit, aber ich bekomme es immer mehr zu spüren. Mein Gesicht und Haare sind schon leicht klamm von der Gischt. Man kann noch weiter an der Klippe entlang gehen und kommt zu einem kleinen Hafen, wo kleine Fischerboote aufgebahrt sind. Um dort hinzugelangen, gehe ich zunächst herunter, um dann eine kleine Steintreppe hinaufzuegehen. Hier ist aber dieses Mal Timing gefragt, denn ich bin damit beschäftigt, die Taktung der Wellen richtig einzuschätzen. Wenn eine Welle kommt und sich wieder ins Meer zurück zieht, so nimmt sie der nächsten Welle gleichzeitig die Energie, durch untere Gegenströmung. Diese Gelegenheit nutze ich, um sehr fix zur Treppe zu gelangen und dort einige Stufen hochzulaufen, bis die nächste große Welle kommen könnte, die mich nicht nur theoretisch klitschnass machen kann. Ich schaffe es und gehe weiter, um mir die Boote anzuschauen. Es ist irgendwie alle so cool und fühlt sich an wie ein "Lost Place" oder nach einer Zombie-Apocalypse, leicht anarchisch springt man zwischen den Booten umher und fühlt sich frei. 

Auf dem Weg zurück in das Zentrum von Estellencs laufe ich, wegen der geschlossenen Geschäfte, nicht die ganze Zeit miesgelaunt herum, denn zum einen werde ich Vielfraß nicht nach nur einem Tag weniger Nahrungszufuhr sterben und der nächste Ort ist auch nicht mehr allzuweit weg. Banyalbulfar liegt weiter Nordöstlich von Estellencs und ist in knapp 2 1/2 Stunden zu erreichen. Der GR 221 läuft insgesamt parallel zur MA-10. Zur linken Seite immer das Meer im Blick und dementsprechend nah an der Küste entlang. Der Weg nach Banyalbulfar ist einfach und tiefentspannt zu gehen. Man bleibt grundlegend auf dem gleichen Höhenniveau und hat nur einige Up's & Down's auf dem Teil des Weges. Dadurch, dass man hier durch bewaldetes Gebiet läuft, ist es dazu noch sehr schattig und windgeschützt. Gegen kurz nach Mittag erreiche ich Banyalbufar und schreite den Weg direkt an der Hauptstraße entlang, der direkt durch die Ortschaft führt. Hier hat man eine tolle Aussicht auf die Terassen. An den Seiten gibt es auch einige Restaurants und Übernachtungsmöglichkeiten. An diesem Punkt bin ich schon sehr verzweifelt. Selbst hier in dem Ort hat nichts offen. Ich kann meinen Augen einfach nicht trauen und setze mich resigniert auf eine Bank. Mir schwirren allerlei Gedanken durch den Kopf: "Ist ja eine tolle Idee gewesen, nix zu essen mitzunehmen" "Schon toll dieses UL-Trekking" "So eine Ver§$%§ Sch**#ße hier!!". Ich zücke mein Smartphone und öffne eine App zum buchen von Hotels & Hostels. Die nächste Ortschaft heißt Esporles und ist auch der Ort, wo Sarah & Ich die vierte Nacht verbracht haben. Hier weiß ich, dass es wirklich Restaurants gibt, die offen haben. Esporles ist insgesamt größer und verfügt über einen Super-SPAR. Ich finde ein günstiges Hostel direkt im Stadtzentrum für günstige 20€ pro Nacht. Warum soll ich mich selber quälen für eine Wanderung, die auch Spaß machen soll? Ich bin in keinem Boot-Camp und 20€ sind nicht die Welt. Das rede ich mir zumindest ein und buche das Bett im 6-Personen-Zimmer. Ich stehe auf und gehe weiter Richtung Innenstadt. Dabei sehe ich, wie ein Mann eine Tür rechts von mir aufmacht, was einem kleinem Geschäft sehr ähnelt. Ich öffne langsam die Tür (ja, es ist wirklich offen!!!) und kaufe bei einer betuchten Dame ein frisches Baguette und Aioli. Das ganze nur ein paar Meter weiter, nachdem ich resigniert auf einer Bank saß. Jetzt bereue ich schon fast meine Entscheidung das Hostel gebucht zu haben. Ich habe wieder Energie, frisches Wasser und Lust aufs wandern bekommen. In der App kann man nicht mehr stornieren. Es kann schlimmeres geben. Schlafe ich leider, leider doch im Bett. 

Um Esporles zu erreichen geht man jetzt nicht mehr entlang der Küste, sondern folgt der Trockenmauerroute landeinwärts Richtung Südosten. Die Entfernung ist wie von Banyalbufar nach Estellencs die Selbige. Die Blasen machen sich schon bemerkbar und ich erinnere mich immer wieder daran, die Schuhe & Socken für eine Weile auszuziehen. Die Haut ist von der Feuchtigkeit schon wieder leicht aufgequollen und Weiß vom Wasser. Der Effekt vergeht aber innerhalb von einigen Minuten an der frischen Luft und die Füße erholen sich den Umständen entsprechend schnell. Mit frischer Motivation gehe ich meinem Ziel entgegen. Am Abend komme ich in Esporles an. Die Stadt an sich, hatte ich noch in Erinnerung, konnte aber den Namen Esporles nicht dem Ort zuordnen. Das ist also Esporles mit seiner wunderschönen Kirche, an der ich eine kurze Rast einlege und Google Maps öffne, damit ich zu dem Hostel geleitet werde. Das Sa Fita Backpackers soll es sein und so bekomme ich eine WhatsApp auf englisch, wann ich denn ungefähr in Esporles ankomme. Ich entgegne damit, schon an der Kirche zu sein und nur noch 10 Minuten bräuchte. Der Rezeptionist will schon vor die Tür kommen, aber ich schicke ihm ein Bild von meinem Rucksack samt Wanderschuhen. Ich bin nicht mit Auto hier und nicht so fix unterwegs. Google Maps leitet mich 500m zu weit und ich gehe direkt am Backpackers vorbei, sehe es noch, habe aber in diesem Moment nur die Nummer und nicht mehr den Namen vom Hostel im Kopf. Ich Dummi! Einmal umgekehrt erreiche ich das Sa Fita Backpackers gegen späten Nachmittag und bin froh mein Ziel erreicht zu haben. Ich bin nicht der Einzige dort, sondern habe noch einen weiteren Gast auf dem Zimmer. Er wohnt auch in Deutschland und kommt ursprünglich aus Ungarn, ist Autofahrer für Auto-Motor-Sport und dessen Fotografen. Ich wusste bis dato nicht, dass es für sowas einen Beruf gibt. Ich gehe als erstes schön, warm duschen und suche mir ein Restaurant. Gönne mir auch was Ordentliches für 23€. Es ist wie damals in der Uni-Mensa. Man bekommt ein Stück Fleisch für ein bestimmten Grundsatz an Geld und bestellt sich für 1€ Kartoffeln dazu. Dann für 0,50€ Sauce und für 3,50€ angebratenes Gemüse. Immerhin sind Ketchup und Mayonnaise für die Fritten kostenlos. Was mir aber auf Mallorca zu größten Teile auffällt & übel aufstößt, sind diese immer wiederkehrenden, kleinen Päckchen wie bei McDonalds oder Burger King für Ketchup und Mayo. Lieder ist mein Verbrauch von beidem hoch und so öffne ich mal schnell 10 Packungen. Was eine Verschwndung und gleichzeitige Sauerei für die Umwelt. Das könnte man in den Gaststätten auch ausbessern. Mein Mitbewohner trifft mich noch beim Essen, da er vorher in den Super-SPAR für sein Abendessen eingekauft hat. Wir sprechen über unsere & generell über Reisen. Letztlich kommen wir zu dem Entschluss, dass wir noch Bier für den Abend brauchen, da es so gut harmoniert. Im Restaurant habe ich mir ein traditionelles Bier empfehlen lassen. Im Super-SPAR habe ich mir 6 Flaschen besorgt. Abends in der Koje reden wir noch stundenlang über Expeditionen und über den Mount Everest. Über Hirnödeme und Tourismus an Bergen und auch auf Mallorca (also Tourismus, Hirnödeme bekommt man auf Mallorca sehr schwer). Ich habe wieder ein kuschlig, warmes Bett und schlafe wie ein Stein, auch wenn ich ab und an wach werde. Mein Mitbewohner redet im Schlaf. Mal auf deutsch, mal auf englisch, mal auf ungarisch. Das kann ich nicht mal, wenn ich wach bin.

 

Fazit für den Tag:  Mit Geduld kommst du weiter. Mit Vernunft ein gemütliches Bett. Mit Fleiß, Träume in 3 Sprachen.

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